Im Rahmen eines Verfahrens zur Aussetzung der Vollziehung der 9. Senat des Finanzgerichts Münster am 26. September 2019 beschlossen (Az. 9 V 1280/19 AO), dass ein Zollamt bei einem im EU-Ausland ansässigen Transportunternehmen eine Prüfung bezüglich der Vorschriften des Mindestlohngesetzes (MiLoG) durchführen darf.
Die Antragstellerin ist eine in Tschechien ansässige Kapitalgesellschaft, die dort ein Speditionsunternehmen betreibt. Im Juli 2018 überprüften Mitarbeiter des Hauptzollamts auf einem Autobahnparkplatz einen Lkw der Antragstellerin. Der Fahrer gab an, dass er 8 bis 10 Stunden pro Tag für einen Monatslohn von 1.500 € arbeite. Aus den vom Fahrer übergebenen Unterlagen ergab sich, dass dieser auch Transporte zu Empfängern in Deutschland durchgeführt hatte.
Das Hauptzollamt erließ daraufhin gegenüber der Antragstellerin eine Prüfungsverfügung, die das Beschäftigungsverhältnis des angetroffenen Fahrers für den Zeitraum 1. Juni bis 10. Juli 2018 im Hinblick auf die Vorschriften des MiLoG umfassen sollte. Hiergegen wandte die Antragstellerin ein, dass dieses Gesetz auf EU-Ausländer nicht anwendbar sei. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob sie Klage und stellte außerdem einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsverfügung.
Der 9. Senat des Finanzgerichts Münster hat den Aussetzungsantrag abgelehnt. Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung. Das MiLoG gelte auch für ausländische Arbeitgeber, soweit sie Arbeitnehmer im Inland beschäftigten. Es könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin den angetroffenen Fahrer im Inland beschäftigt habe. Im Hinblick auf europarechtliche Vorschriften sei derzeit zwar noch nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen Transportunternehmen im Inland Arbeitnehmer beschäftigten.
Bei reinen Transitfahrten ohne Be- und Entladung im Inland habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Prüfungen nach dem MiLoG ausgesetzt, so dass Prüfungsverfügungen ermessenswidrig seien. Demgegenüber bestünden bei Transporten mit Start und Ziel im Inland (sog. Kabotagefahrten) keine Bedenken gegen eine Prüfung. Für grenzüberschreitende Beförderungen, bei denen Start oder Ziel im Inland liegen, sei die Rechtslage umstritten. Vor diesem Hintergrund sei die Prüfungsverfügung im Streitfall nicht willkürlich erfolgt, da sich aus den Unterlagen jedenfalls die Durchführung grenzüberschreitender Beförderungen ergebe. Im Übrigen sei eine abschließende Beurteilung, ob der angetroffene Fahrer auch Kabotagefahrten vorgenommen habe, erst nach Durchführung der Prüfung möglich.
Überdies führte die Aussetzung der Vollziehung zu einer grundsätzlich unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache. In diesem Fall käme eine Prüfung endgültig nicht mehr in Betracht, da die für eine Prüfung vorzulegenden Dokumente nach § 17 Abs. 2 Satz 1 MiLoG nur für zwei Jahre aufbewahrt werden müssten und das Hauptsacheverfahren insbesondere vor dem Hintergrund mehrerer bereits beim Bundesfinanzhof anhängiger Revisionsverfahren nicht innerhalb dieses Zeitraums abgeschlossen werden könne.
Der Senat hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Pressemitteilung vom 15.11.2019 - Finanzgericht Münster