Mit Urteil vom 28. Juni 2016 (Az.: 2 K 146/16) hat der 2. Senat des Finanzgerichts entschieden, dass das Finanzamt die gesetzliche Neuregelung durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (BestVerfModG) zu Recht bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen des zur Zeit geltenden § 152 AO unberücksichtigt gelassenen hat.
Nach der Neuregelung beträgt der Verspätungszuschlag für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO in der Fassung vom 18. Juli 2016, anwendbar erstmals auf Steuererklärungen, die nach dem 31. Dezember 2018 einzureichen sind, Art. 97 § 8 Abs. 4 Einführungsgesetz zur AO).
Im Rahmen der Ausübung des Ermessens müssten die Finanzbehörden die gesetzlich gezogenen Grenzen des Ermessens einhalten. Diese ergäben sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage und darüber hinaus aus den allgemeinen Rechtsinstituten wie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder aus Treu und Glauben. Die jeweilige anzuwendende Ermächtigungsvorschrift setze den Rahmen bzw. die gesetzlichen Grenzen für das Ermessen (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 2012 VIII R 19/09 BFH/NV 2013, 502; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 Rz. 35).
In diesem Rahmen seien die von der Vorschrift vorgesehenen Kriterien abzuwägen und zu beurteilen. Weitere nicht von der Ermessensgrundlage vorgesehene Kriterien seien dagegen nicht in die Beurteilung einzubeziehen. Somit könne auch die Intention des Gesetzgebers, der eine umfassende Umgestaltung und Neuausrichtung der Vorschrift für künftige Veranlagungszeiträume vornimmt und diese - wie durch die Neufassung durch das BestVerfModG - auch im Zusammenhang mit weiteren Neuregelungen (insbesondere § 149 AO) reformiert, nicht in die Abwägung und somit die Ermessensentscheidung auf der Grundlage der Vorgängervorschrift einbezogen werden. Mit dem BestVerfModG seien sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages geändert worden als auch die möglichen Rechtsfolgen. Der gesetzliche Rahmen sei ein völlig anderer.
Die dort vorgesehene Höhe des Verspätungszuschlages könne daher kein Kriterium für die im Rahmen der anderweitig ausgestalteten Vorgängerregelung zu treffende Ermessensentscheidung sein, auch wenn der Verspätungszuschlag nach der Neuregelung deutlich niedriger ausfallen würde.
Pressemitteilung 02.10.2017 - Schleswig Holsteinisches Finanzgericht