Versicherung muss einem Projektleiter die Kosten für hochwertige Hörgeräte erstatten
Schwerhörige haben Anspruch auf eine Versorgung mit Hörgeräten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit aufgrund der ausgeübten Berufstätigkeit eine besondere Hörgeräteversorgung erforderlich ist, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, hat ferner die gesetzliche Rentenversicherung die Mehrkosten für höherwertige Hörgeräte zu tragen.
Dies sei bei einem Projektleiter der Fall, der für die Bauüberwachung von Großbaustellen zuständig ist. Er habe Anspruch auf ein Hörgerätesystem, das sich automatisch wechselnden Geräuschkulissen anpasst. Dies entschied in einem am 25.10.2018 veröffentlichten Urteil der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.
Schwerhöriger Projektleiter beantragt hochwertige Hörgeräte aus beruflichen Gründen
Ein 55-jähriger schwerhöriger Versicherter aus dem Kreis Bergstraße beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung die Bewilligung neuer Hörgeräte für 4.300 Euro. Seine Schwerhörigkeit habe sich verschlechtert.
Als Projektleiter in einem Ingenieurbüro für Versorgungstechnik sei er weiterhin berufsbedingt auf ein sehr gutes Hörverstehen angewiesen,
so dass ihm entsprechend hochwertige Hörgeräte zu gewähren seien.
Die Rentenversicherung hatte dem Versicherten sechs Jahre zuvor noch Hörgeräte als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt.
Nunmehr leitete sie den Antrag an die aus ihrer Sicht zuständige gesetzliche Krankenkasse weiter.
Die Krankenkasse hielt ein eigenanteilsfreies Hörgerätesystem für ausreichend und leistete dementsprechend den Festbetrag in Höhe von 1.614 Euro.Eine berufsbedingte Notwendigkeit für eine höherwertige Hörgeräteversorgung liege nicht vor.
Der Versicherte erhob hierauf Klage mit der Begründung, dass er insbesondere wegen seiner Tätigkeit auf Baustellen auf Hörgeräte angewiesen sei, die sich automatisch auf wechselnde Geräuschkulissen einstellten.
Die von ihm getesteten und zum Festpreis erhältlichen Hörgeräte müssten hingegen jeweils manuell angepasst werden.
Baubesprechungen auf Großbaustellen begründen Anspruch auf Hörgeräte, die sich automatisch anpassen.
Die Richter beider Instanzen gaben dem Versicherten Recht.
Die Krankenversicherung müsse dem Versicherten die Kosten für das höherwertige Hörgerätesystem erstatten.
Dies folge zwar nicht aus dem Krankenversicherungsrecht. Da die Rentenversicherung den Antrag des Versicherten aber innerhalb der gesetzlichen Frist weitergeleitet habe, sei die Krankenversicherung allein zuständig und müsse auch aufgrund rentenversicherungsrechtlicher Vorschriften leisten.
Hiernach hätten behinderte Menschen einen Anspruch auf medizinische Rehabilitation, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Dies umfasse auch Hilfsmittel wie Hörgeräte, soweit der Versicherte aufgrund der typischen Anforderungen seiner Berufstätigkeit hierauf angewiesen sei.
Diese Voraussetzungen lägen bei dem als Projektleiter tätigen Versicherten vor. Er sei für die Bauleitung und die Bauüberwachung in den Bereichen Mess-, Steuer- und Regelungstechnik zuständig.
Insbesondere bei Baubesprechungen auf Großbaustellen sei er wechselnden Geräuschkulissen ausgesetzt, die hohe Anforderungen an sein Hörvermögen stellten. Die getesteten anteilsfreien Hörgeräte seien insoweit nicht geeignet, da sie sich bei einer Änderung der Geräuschkulisse nicht automatisch anpassten.
Die beruflichen Anforderungen an das Hörvermögen des Projektleiters seien auch nicht mit den alltäglichen Anforderungen vergleichbar. Denn dieser habe bei Baubesprechungen auf Großbaustellen mit bis zu 20 Personen regelmäßig keinen Einfluss auf die Geräuschkulisse.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Pressemitteilung vom 25.10.2018 - Hessisches Landessozialgericht