Einkommensteuer: Zusammenveranlagung mit Ehegatten im Pflegeheim (FG)
Die Zusammenveranlagung mit einem in einem Pflegeheim lebenden Ehegatten ist bei Vorliegen einer krankheitsbedingt eingeschränkten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auch dann möglich, wenn der Steuerpflichtige mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebt (FG Niedersachsen, Urteil v. 23.6.2015 - 13 K 225/14; Revision zugelassen).
Hintergrund: Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (in den für die Streitjahre geltenden Fassungen) besteht ein Wahlrecht zwischen den Veranlagungsarten, wenn die Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 oder 1a EStG sind, sie nicht dauernd getrennt leben und bei ihnen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind. Bis zum Veranlagungszeitraum (VZ) 2012 bestand ein Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG a.F.), Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und besonderer Veranlagung (§ 26c EStG a.F.). Ab dem VZ 2013 besteht nur noch eine Wahlmöglichkeit zwischen Einzelveranlagung (§ 26a EStG n.F.) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG; zum Anwendungsbereich vgl. § 52 Abs. 68 EStG).
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:
- Ein dauerndes Getrenntleben ist dann gegeben, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben worden ist. Lebensgemeinschaft in diesem Sinne bedeutet die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, während unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen ist.
- Es muss im Wege eine Gesamtabwägung geprüft werden, ob eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer umfassenden persönlichen, geistigen und räumlichen Gemeinschaft der Eheleute besteht oder zumindest noch angestrebt wird.
- Im Streitfall ist das Gericht der Auffassung, dass kein dauerndes Getrenntleben vorlag, weil die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht aufgehoben worden ist.
- Zwar leben der Kläger und seine Ehefrau seit 2008 getrennt voneinander, weil die Ehefrau in einem Pflegeheim untergebracht war. Diese räumliche Trennung beruhte aber auf zwingenden äußeren Umständen.
- Der Kläger hat im Streitfall die eheliche Lebensgemeinschaft in dem noch möglichen Rahmen aufrechterhalten. Die Pflegeeinrichtung hat bestätigt, dass sich der Kläger mit liebevoller Zuwendung und großer Geduld um seine Ehefrau gekümmert hat. Der Kläger war zudem ihr rechtlicher Betreuer und bezahlte die Pflegekosten.
Anmerkung: Die neue Lebensgemeinschaft des Klägers änderte nach Ansicht des Finanzgerichts nichts an dieser Beurteilung. Das Gesetz stelle mit dem Tatbestandsmerkmal des „nicht dauernd Getrenntlebens“ nicht auf vorhandene Beziehungen eines Ehegatten zu anderen Personen sondern auf die räumliche, persönliche und geistige Beziehung zu dem anderen Ehegatten ab. Da diese im vorliegenden Fall - trotz einer weiteren Lebensgemeinschaft des Klägers mit einer dritten Person - im Rahmen der noch verbliebenen Möglichkeiten aufrecht erhalten wurde, spricht nach Auffassung des Senats nichts dagegen, den Tatbestand des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG als gegeben anzusehen.
Quelle: FG Niedersachsen online
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Es bedürfe der Klärung, ob eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG auch dann bejaht werden kann, wenn einer der beiden Ehegatten mit einer dritten Person in einer nichtehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft lebt. Ein Aktenzeichen des BFH wurde noch nicht veröffentlicht. Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts.