Mit Urteil vom 19.08.2021 (Az. 11 K 190/19) hat der 11. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts zu der Frage Stellung genommen, ob ein sog. Büro- und Organisations-Bonus bzw. eine Förderprovision der Umsatzsteuerbefreiung für Vermittlungsleistungen nach § 4 Nr. 8 und 11 UStG unterliegen.
Im Streitfall war der Kläger als selbstständiger gebundener Vermögensberater ausschließlich für den Allfinanzvertrieb der A tätig und vermittelte für diese Finanzprodukte. Nach dem Vermögensberatervertrag durfte er entweder durch höchstpersönlichen Kundenkontakt (Eigengeschäfte) oder unter Einsatz von anderen Vermögensberatern (Gruppengeschäfte) Vermittlungsleistungen erbringen. Er war sowohl im Eigen- als auch im Gruppengeschäft tätig. Aus beiden Geschäften erbrachte er als Vermittler unstreitig umsatzsteuerfreie Leistungen gemäß § 4 Nr. 8 und Nr. 11 UStG. In den Streitjahren erhielt er von der A u. a. Sonderprovisionen wie einen Büro- und Organisations-Bonus bzw. ab April 2017 eine Förderprovision. Diese Provisionen wurden nach vermittelten Gruppenumsatz-Einheiten bemessen und setzten in den letzten 12 Monaten einen Gruppenumsatz von 6.000 Einheiten voraus. In den Bedingungen des Büro- und Organisations-Bonus war geregelt, dass er für die Einrichtung, den Unterhalt und den Betrieb eines Büros, das einem kaufmännischen Mindeststandard entspricht und bei Bedarf Schulungen, Berufsinformationsseminare und ähnliche Veranstaltungen ermöglicht, sowie für organisatorische Maßnahmen zu verwenden ist, die der Förderung der Vertriebstätigkeit der betreuten Unterstruktur dient und ihr zugutekommt.
Das beklagte Finanzamt sah den Büro- und Organisations-Bonus sowie die Förderprovision jeweils als Entgelt für den Aufbau eines Strukturvertriebs an und unterwarf diese Zahlungen der Regelbesteuerung.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Nach Überzeugung des 11. Senats unterliegen der Büro- und Organisations-Bonus bzw. die Förderprovision der Steuerbefreiung für Vermittlungsleistungen nach § 4 Nr. 8 und 11 UStG. Sie stellen eine Aufstockung der – vom Beklagten als umsatzsteuerfrei behandelten – Grundprovision für die vom Vermögensberater erzielten Gruppenumsätze dar. Es besteht jeweils ein spezifischer und wesentlicher Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften, weil der Bonus bzw. die Förderprovision auf das jeweilige steuerfreie Gruppengeschäft zurückzuführen sind. Entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Leistungen für eine Anwerbetätigkeit neuer Vermögensberater und den Aufbau eines Strukturvertriebs erbracht werden.
Nach den Feststellungen des Senats und der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Beweisaufnahme werden Bonus bzw. Förderprovision unabhängig davon gezahlt, ob der jeweilige Vermögensberater in dem jeweiligen Jahr tatsächlich neue Vermögensberater für die A gewonnen hat. Sie sind vom Gesamterfolg der A und dem erwirtschafteten (Mindest-)Gruppenumsatz des Vermögensberaters abhängig.
Gegen die Entscheidung wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen XI B 85/21 geführt wird.
Mitteilung vom 21.10.2021 - Niedersächsisches Finanzgericht