Umsatzsteuer ist aus EU-Sicht ein Vorreiter
Die Umsatzsteuer ist die einzige Steuerart, die über alle Mitgliedstaaten hinweg in fortgeschrittenem Maße harmonisiert ist. Zur weiteren Vereinheitlichung erarbeitet die EU-Kommission aktuell anhand ihres Aktionsplans einen Legislativvorschlag für ein Mehrwertsteuerpaket für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Dieser soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Damit soll ein günstiges Umfeld für deren Wachstum und für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr geschaffen werden.
Im Rahmen einer öffentlichen Konsultation wurden die Positionen u. a. von Unternehmen, Verbänden und Privatpersonen zu den EU- und den daraus resultierenden jeweiligen nationalen Sonderregelungen für Kleinunternehmen erfragt. Die EU-Kommission sieht Handlungsbedarf bei der bestehenden KMU-Regelung. Die aus verschiedenen Komponenten bestehende Regelung soll danach insbesondere mit den folgenden Nachteilen behaftet sein:
- Sie gewährleistet keine einheitlichen Rahmenbedingungen.
- Sie ist überholt.
- Sie ist kostspielig.
Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) brachte sich in die Diskussion ein. In seiner Stellungnahme S 03/17 hat er der Europäischen Kommission die Hintergründe beispielsweise zu folgenden Aspekten der Konsultation dargelegt:
Auch weiterhin Sonderregelungen für KMU ermöglichen
Mit den nationalen Sonderregelungen wird aus Sicht des DStV den Belangen der KMU, dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft, im Großen und Ganzen ausreichend Rechnung getragen. Hierbei geht es nicht nur um die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG), sondern auch um die Istbesteuerung (§ 20 UStG), erleichterte Aufzeichnungspflichten (§ 22 UStG), von der Steuerhöhe abhängige Abgabeintervalle für Steuererklärungen (§ 18 UStG) usw. Deren entlastende Wirkung bei den umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten hat der DStV im Rahmen der Konsultation herausgearbeitet.
Damit KMU weiterhin fokussiert auf ihr Geschäft positiv zur Gesamtwirtschaft beitragen können, setzt sich der DStV dafür ein, den Nationalstaaten auch zukünftig die Möglichkeit derartiger Sonderregelungen einzuräumen. Ob die Unternehmen sodann davon Gebrauch machen, sollte ihnen - wie bisher - vornehmlich aus betrieblichen Gründen selbst überlassen bleiben.
KMU-Steuerbefreiung für ausländische Lieferer mit Risiken behaftet
Derzeit können Unternehmen nur in ihrem eigenen EU-Land in den Genuss der Steuerbefreiung für KMU kommen, nicht jedoch in anderen EU-Mitgliedstaaten, in die sie Lieferungen vornehmen. Zur Disposition steht, ob diese Regelung auch Lieferern aus anderen Mitgliedstaaten offenstehen sollte.
Eine solche Ausweitung über die 28 Mitgliedstaaten hinweg erscheint dem DStV zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht realisierbar. Voraussetzung dafür ist ein effektiver und effizienter Datenaustausch. Dessen Bedeutsamkeit hat der EuGH in seiner Rechtsprechung herausgestellt. Danach stehe wegen dieses Erfordernisses nur solchen Unternehmern die Kleinunternehmerregelung zur Verfügung, deren Jahresumsatz im Ansässigkeitsstaat die jeweilige Grenze nicht überschreitet. Stünde diese Erleichterung auch nicht-ansässigen Unternehmern zur Verfügung, müssten die Mitgliedstaaten insoweit mindestens die Besteuerungsgrundlagen multilateral austauschen.
Gegenwärtig besteht hinsichtlich der Datenqualität nach den Aussagen der Rechnungshöfe Deutschlands, Österreichs und Ungarns Anlass zur Kritik. Deswegen würden aus einer Ausweitung der KMU-Steuerbefreiung auf Lieferer anderer Mitgliedstaaten folgende Risiken resultieren: Steuerkontrollen würden erschwert werden. Zudem würden Einnahmeverluste für die Mitgliedstaaten drohen.
Einheitliche Schwellenwerte für die KMU-Steuerbefreiung in den Mitgliedstaaten bereits jetzt gangbar?
Ein weiterer Gegenstand der Erörterungen ist die Vereinheitlichung von Schwellenwerten für die KMU-Steuerbefreiung. Eine explizite Höhe ist dabei jedoch nicht erkennbar.
Generell gilt, dass mit umsatzsteuerlichen Sonderregelungen Lenkungsabsichten verfolgt werden. Vereinheitlichte Schwellenwerte setzen daher voraus, dass der Umfang und das Ziel solcher Förderintentionen EU-weit übereinstimmen. Dies dürfte nur schwer erreichbar sein - nicht zuletzt, weil sich der wirtschaftliche Entwicklungsstand der 28 Mitgliedstaaten erheblich voneinander unterscheidet. Insofern dürfte der Einsatz von länderspezifischen Regelungen die wirksamste Möglichkeit zur Erreichung von Lenkungszielen sein.
Kein Wegfall der KMU-Steuerbefreiung bei kurzzeitigem Übersteigen der Schwellenwerte
Abgefragt wird zudem, ob Kleinunternehmer für einen kurzen Übergangszeitraum weiterhin in den Genuss der Sonderregelung kommen sollten, wenn ihr Umsatz zeitweilig den Schwellenwert übersteigt.
Der DStV befürwortet eine solche Regelung ausdrücklich. Zum einen ist der Gesamtumsatz oftmals aufgrund der Auftragslage oder einmaliger Zahlungen, wie Entschädigungen, unvorhersehbar. Zum anderen ist der Wechsel zur Regelbesteuerung und wieder zurück aufwendig: Bei der Zuordnung der Umsätze zum korrekten Voranmeldezeitraum sind im Übergangszeitraum zahlreiche Besonderheiten zu beachten.
Keine Notwendigkeit des neuen Steuersubjekts „Gelegenheitsunternehmer“
Unter Gelegenheitsunternehmern versteht die EU-Kommission Privatpersonen, deren steuerbare Tätigkeit nur von untergeordneter Bedeutung ist (z. B. die Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen und anschließende Einspeisung in das Netz oder Leistungsaustausche im Rahmen der Share Economy). Sie prüft, wie diese umsatzsteuerlich behandelt werden sollten.
Aus Sicht des DStV berücksichtigt das deutsche Umsatzsteuerrecht solche Fälle bereits angemessen. Privatpersonen, die im umsatzsteuerlichen Sinne Unternehmer sind, können unter Beachtung der entsprechenden Umsatzgrenzen von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen. Ein neues Steuersubjekt einzuführen, würde die Rechtslage verkomplizieren.
Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Mitteilung vom 24.03.2017